Mein Pferd die Dressur und die Bank

Der Herbst kam, das Wetter wurde stürmisch und regnerisch. Ich mietete also mal wieder einen Hänger und holte meinen halbstarken 4 1/2 Jährigen in den Stall. Die Weide hatte ihm Gut getan, sein Fell war schon sehr "verplüscht" und seine Figur etwas aus den Fugen geraten, aber ruhig und besonnen bezog er seine Box, stürzte sich über das Futter her und lieferte sich auf der Weide erste kleine Machtkämpfe mit unserem Stallboss Chico, dem alten Wallach, der die absolute Befehlsgewalt hatte. Ferner riss er den zweiten Araber bei uns im Stall aus seiner stoischen Ruhe und brachte ihn dazu, mit ihm über die Weide zu fetzen.

Ich ließ ihm zwei Tage Eingewöhnung und begann dann auf unserem Reitplatz mit dem zweiten Einreiten. Die Longe kannte und akzeptierte er noch gut, Reitergewicht und geritten werden auch, aber er war über Sommer selbstsicherer geworden, nun meinte er, dass er die Richtung bestimmen könnte, ebenso das Tempo und den Zeitpunkt des Beendens der Stunde. Von Schenkelgehorsam und willig an den Hilfen stehen hielt mein Tierchen nicht viel. Doch den Oktober hindurch arbeiteten wir täglich auf dem Reitplatz, bis ich schließlich wieder behaupten konnte ein eingerittenes Pferd zu haben.
An 01.11. hatten meine Freundin und ich uns in einer in der Nähe befindlichen Halle eingemietet. Mir viel voller Schrecken ein, dass Rory ja gar keine Halle kannte!
Nun, mir war nicht wohl zumute, als ich Pferdchen gesattelt und getrenst, mit hübscher grünkarierter Decke versehen, das erste Mal zur Halle führte. Natürlich tat Rory wieder mal das Entgegengesetzte von dem, was ich mir so in meiner menschlichen Natur gedacht hatte. Er ging ohne zu zögern in die Halle, besah sich alles mit kugelrunden Augen, um schließlich bei seinem Inspektionsgang fasziniert vorm Spiegel stehen zu bleiben. Der Geselle, der ihm dort entgegenblickte war denn auch zu verwunderlich. Weder auf leises Gebrummel, noch auf einen kräftigen Schnauber oder angelegte Ohren reagierte der. Nun, mein Rory beschloss, dass er ein ziemlich eitles Pferdchen sei, drehte den Kopf nach links und rechts, besah sich schließlich von vorne und blies den Spiegel solange an, bis er nicht mehr allzu viel in ihm erkennen konnte. Nun, dachte ich, das klappt ja prima. Ich longierte Mutabor also in der Halle ab und stieg schließlich auf, selbstredend mal wieder mit Beinen, die halbrohen Eiern glichen. Rory stapfte schon 10 Minuten durch die Halle und ich begann mich schon zu entspannen, als er das Monstrum bemerkte. Eine Bank! Eine Bank in der Ecke der Halle, belegt mit vielerlei Sachen (u.a. mit seiner eigenen Decke), das war denn doch zuviel! Die geblähten Nüstern, einem schnaubenden Drachen gleich, alle vier Beine fest in die Erde gerammt blieb der Wüstensohn stehen. Ich redete, ich streichelte und schmeichelte, aber nein, er meinet wohl die Gefahr der Bank in der Ecke überwiege alles andere. 

Nun und - sie blieb gefährlich, fast drei Jahre lang gab es immer wieder Tage, wo das Reiten in der Halle für mich - dank der Bank - zur Hölle wurde. Erst als eines Tages ein netter Mensch auf die entzückende Idee kam das Ding zu entfernen, wurde die Ecke um etliches weniger schrecklich.
Diese eine Ecke sabotierte auch oftmals tagelang unsere Bemühungen, bzw. meine Bemühungen, die Finessen der Dressur meinem Reittier mitzuteilen. Aber es gab doch auch etliche Tage, wo Rory seriöser Gesinnung war und konsequent mitarbeitete. Er lernte es in diesem Winter sich zu strecken und den Rücken herzugeben, sowie einigermaßen konsequent den Kopf am Zügel zu lassen. Doch von Durchlässigkeit konnte noch keine Rede sein.

Nun dachte ich, ein Reitlehrer könnte keinesfalls schaden.... Glücklicherweise gab ein alter Rittmeister a.D. des öfteren in dieser Halle Unterricht. Ich guckte mir also die nächste Stunde, die er gab, an. Herr Koch war ein älterer Herr mit schlohweißen Haar, der die ganze Stunde lang in der Bahn mit dem Pferd mitging, mit Armen und Beinen gestikulierte und in Gedanken bestimmt mit auf dem Pferd saß. Er war ein imponierender Anblick, wie er mit wallendem Reitmantel und großen Schritten durch die Halle stolzierte und mit befehlsgewohnter Stimme Anweisungen gab. 

Nach der Stunde passte ich ihn mit meiner Freundin zusammen ab, und wir fragten ihn, ob er bereit wäre, noch zwei weitere Schüler anzunehmen. Gleichzeitig teilte ich ihm mit, welche Rasse mein Ross hat und wartete auf skeptische Blicke und eine höfliche Absage. Aber er reagierte nicht negativ auf meinen Sohn des Windes, so dass eine Probestunde vereinbart wurde. 
Fortan wurde mein Reitungeheuer in seiner Stunden nur noch "die Süße" und sämtliche Unarten seinerseits wurden mit milder Strenge geahndet. Herr Koch verlor nie die geduld mit meinem Irrwisch, mochte er auch noch so oft vor der Ecke scheuen, beim Durchparieren den Kopf hochnehmen und nicht stillstehen können. "Das kommt schon noch", wurde ich regelmäßig getröstet. Herr Koch konnte sehr streng mit Krümelchen werden, und als Rory eines Tages mal wieder sein Eckendrama in allen Varianten aufführte, nahm der Herr Rittmeister mein Pferdchen am Zügel und wir übten geschlagene 40 Minuten nur durch die Ecke zu gehen. Am Ende waren wir alle drei in Schweiß gebadet. Aber - mein Araber ging (Widerwillig) durch die Ecke. Was selbstredend nicht hieß, dass er dies auch am nächsten Tag tat....

Der Unterricht beim alten Herrn Rittmeister tat meinem Gehops gut, denn Herr Koch legte größten Wert auf Ruhe. Er baute seinen Unterricht vom Ruhigen zum Schnellen, vom (ansatzweise) Versammelten zum Verstärkten auf. Oftmals musste ich mit Mutabor weit unter Tempo durch die Halle traben, bis Herr Koch endlich seine Zustimmung gab: Jetzt sähe "die Süße" ruhig und gelassen aus. Seiner Meinung nach würde es auch noch etliche Zeit dauern, bis ich mit Pferdchen den ersten Blumentopf gewänne und das läge nicht nur daran, dass es an den Nerven hapere. Mutabor, so meinte er, wäre kein Pferd für E oder A. Da würde er sich bloß langweilen und zuviel Zeit für Unsinn haben. Ich könne erst ab L damit rechnen, dass Pferdchen zeigen würde, was er kann. Doch der Weg nach Laramie ist weit und steinig. Vorerst dachte ich weder an Blumentöpfe noch an Schleifen, sondern an unser erstes Schenkelweichen.  

Herr Koch hatte mir für die nächste Stunde erste Ansätze des Schenkelweichens angedroht und ich dachte mir, ein bisschen Vor-üben kann nicht schaden. Aber ach... ich hatte die Rechnung wieder einmal ohne Rory gemacht. Ich versuchte es in allen Varianten, vom Boden aus, auf ihm drauf, an der Bande, auf dem Zirkel und auf gerader Linie. Rory stieg, rannte rückwärts, stemmte sich gegen meinen Schenkel und streikte schließlich ganz. Ich saß also da oben auf meinem Zossen und dachte nach, Mutabor stand stocksteif da und traute mir nicht mehr über den weg. Schließlich fiel mein Blick auf Karin, die gerade mit ihrer Maika ihre Runden drehte. Ich bat sie ihre Stute, vor der mein Krümel einen Heidenrespekt hatte, auf Rorys Seite zu platzieren und einfach mit dem Schenkelweichen zu beginnen. Plötzlich war alles ganz einfach. Mutabor preschte geradezu seitwärts, um Maika Platz zu machen. Innerhalb von 3 Tagen vergrößerten wir den Abstand zwischen Maika und Mutabor immer mehr, bis Rory schließlich auf meine Hilfen hin seitwärts trat.

Sicher ist dies eine etwas unorthodoxe Art und Weise einem Pferd das schenkelweichen beizubringen, aber bei Mutabor hat es funktioniert. Die Meinung des Lehrbuches und des allwissenden erfahrenen Reiters, den wohl jeder Stall hat, muss nicht unbedingt immer das einzigst Wahre sein. Mutabor hat das Schenkelweichen auf eine Art und Weise gelernt, die ihm eingängig war und das ist, finde ich sehr wichtig. Und damit komme ich zu einem Punkt, den ich sehr wichtig finde...
  


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