Mein Pferd die Dressur und die Bank
Der Herbst kam, das Wetter wurde stürmisch und regnerisch. Ich mietete also mal wieder einen Hänger und holte meinen halbstarken 4 1/2 Jährigen in den Stall. Die Weide hatte ihm Gut getan, sein Fell war schon sehr "verplüscht" und seine Figur etwas aus den Fugen geraten, aber ruhig und besonnen bezog er seine Box, stürzte sich über das Futter her und lieferte sich auf der Weide erste kleine Machtkämpfe mit unserem Stallboss Chico, dem alten Wallach, der die absolute Befehlsgewalt hatte. Ferner riss er den zweiten Araber bei uns im Stall aus seiner stoischen Ruhe und brachte ihn dazu, mit ihm über die Weide zu fetzen. Ich ließ ihm zwei Tage Eingewöhnung und begann dann auf unserem Reitplatz
mit dem zweiten Einreiten. Die Longe kannte und akzeptierte er noch gut,
Reitergewicht und geritten werden auch, aber er war über Sommer selbstsicherer
geworden, nun meinte er, dass er die Richtung bestimmen könnte, ebenso das
Tempo und den Zeitpunkt des Beendens der Stunde. Von Schenkelgehorsam und willig
an den Hilfen stehen hielt mein Tierchen nicht viel. Doch den Oktober hindurch
arbeiteten wir täglich auf dem Reitplatz, bis ich schließlich wieder behaupten
konnte ein eingerittenes Pferd zu haben. Nun und - sie blieb gefährlich, fast drei Jahre lang gab es immer wieder
Tage, wo das Reiten in der Halle für mich - dank der Bank - zur Hölle wurde.
Erst als eines Tages ein netter Mensch auf die entzückende Idee kam das Ding zu
entfernen, wurde die Ecke um etliches weniger schrecklich.
Nach der Stunde passte ich ihn mit meiner Freundin zusammen ab, und wir
fragten ihn, ob er bereit wäre, noch zwei weitere Schüler anzunehmen.
Gleichzeitig teilte ich ihm mit, welche Rasse mein Ross hat und wartete auf
skeptische Blicke und eine höfliche Absage. Aber er reagierte nicht negativ auf
meinen Sohn des Windes, so dass eine Probestunde vereinbart wurde. Der Unterricht beim alten Herrn Rittmeister tat meinem Gehops gut, denn Herr Koch legte größten Wert auf Ruhe. Er baute seinen Unterricht vom Ruhigen zum Schnellen, vom (ansatzweise) Versammelten zum Verstärkten auf. Oftmals musste ich mit Mutabor weit unter Tempo durch die Halle traben, bis Herr Koch endlich seine Zustimmung gab: Jetzt sähe "die Süße" ruhig und gelassen aus. Seiner Meinung nach würde es auch noch etliche Zeit dauern, bis ich mit Pferdchen den ersten Blumentopf gewänne und das läge nicht nur daran, dass es an den Nerven hapere. Mutabor, so meinte er, wäre kein Pferd für E oder A. Da würde er sich bloß langweilen und zuviel Zeit für Unsinn haben. Ich könne erst ab L damit rechnen, dass Pferdchen zeigen würde, was er kann. Doch der Weg nach Laramie ist weit und steinig. Vorerst dachte ich weder an Blumentöpfe noch an Schleifen, sondern an unser erstes Schenkelweichen. Herr Koch hatte mir für die nächste Stunde erste Ansätze des Schenkelweichens angedroht und ich dachte mir, ein bisschen Vor-üben kann nicht schaden. Aber ach... ich hatte die Rechnung wieder einmal ohne Rory gemacht. Ich versuchte es in allen Varianten, vom Boden aus, auf ihm drauf, an der Bande, auf dem Zirkel und auf gerader Linie. Rory stieg, rannte rückwärts, stemmte sich gegen meinen Schenkel und streikte schließlich ganz. Ich saß also da oben auf meinem Zossen und dachte nach, Mutabor stand stocksteif da und traute mir nicht mehr über den weg. Schließlich fiel mein Blick auf Karin, die gerade mit ihrer Maika ihre Runden drehte. Ich bat sie ihre Stute, vor der mein Krümel einen Heidenrespekt hatte, auf Rorys Seite zu platzieren und einfach mit dem Schenkelweichen zu beginnen. Plötzlich war alles ganz einfach. Mutabor preschte geradezu seitwärts, um Maika Platz zu machen. Innerhalb von 3 Tagen vergrößerten wir den Abstand zwischen Maika und Mutabor immer mehr, bis Rory schließlich auf meine Hilfen hin seitwärts trat. Sicher ist dies eine etwas unorthodoxe Art und Weise einem Pferd das
schenkelweichen beizubringen, aber bei Mutabor hat es funktioniert. Die Meinung
des Lehrbuches und des allwissenden erfahrenen Reiters, den wohl jeder Stall
hat, muss nicht unbedingt immer das einzigst Wahre sein. Mutabor hat das
Schenkelweichen auf eine Art und Weise gelernt, die ihm eingängig war und das
ist, finde ich sehr wichtig. Und damit komme ich zu einem Punkt, den ich sehr
wichtig finde...
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