Bewertung von Arabern

 


Wie beurteile ich nun einen Araber? Unterscheidet sich ein Araber von einem anderen?


Carl Raswan hat eine Klassifizierung der verschiedenen Arabertypen vorgenommen. Die drei bekanntesten Haupttypen sind:

  • Koheilan    (Ahmal, a.d.Fatme von Galan)
    "Stärke". Tiefe und breite Brust und Hinterhand. Runde Linien. Ideales Reitpferd mit enormer Ausdauer.

  • Siqlawi       (Rabdan a.d.Rualla von Wisznu)
    "Schönheit". Weibliche Eleganz. Ideales Schaupferd. Das Schönste unter den Araberpferden, aber doch sehr drahtig. Hals und Schweif werden hoch getragen. Kopf etwas länger als beim Koheilan und etwas weniger breit zwischen den Augen. Ohren etwas länger. Auch Hals und Rücken länger als beim Koheilan.

  • Muniqi
    "Schnelligkeit". Langes, schmales Rennpferd, das stark an das englische Vollblutpferd erinnert. Oft grob und mit "Gewohnheiten". Sieht durchaus nicht aus  wie der klassische arabische Typ. Schräge Kruppe, Schweif herunterhängend, prächtige Beine.

Außerdem hat Raswan drei weitere, weniger bekannte Typen, unterschieden:

  • Obayan
    Schnelle, wenige Tiere, dem Siqlawi ähnlich. Die Beine erinnern an ein Rennpferd, gute Schulter und enormer Brustkasten, Rücken etwas länger. Gute Ausdauer, ideale Polo-Pferde.

  • Hamdani
    Jagdpferd-Typ. Großer Kopf mit geradem Profil, breit zwischen den Augen und weniger trocken. Kreuz nicht gerade. 

  • Dahman
    Sehr klassischer Typ, dem Siqlawi ähnlich. Kopf stark keilförmig, kurz und breit und stark konkave Profillinie. Augen enorm groß. Farben: Schimmel oder Fuchs.


Wird ein Araber auf einer heutigen Schau bewertet, sind alle Typen zugelassen. Bewertet wird nach einem 20 Punkte System:

  • 20            =  hervorragend

  • 19 - 18    =  ausgezeichnet

  • 17 - 16    =  sehr gut

  • 15 - 14    =  gut

  • 13 - 10    =  genügend

  •   9 -   6    =  ungenügend

  •   5 -   1    =  schlecht

Das Pferd wird von je drei Richtern bewertet. Zu sagen ist noch, dass eine 20 höchst selten ist und eine Punktzahl von 16 schon ein sehr gutes Pferd bedeutet. In neuerer Zeit werden auch die Noten 21 und 22 für wirklich herausragende Pferde zugelassen.
Die von den Richtern vergebene Punktzahl wird addiert und durch drei geteilt. Pro Schau kann es vorkommen, dass kein Pferd die 80 Punkte erreicht. Sehr gut besetzte Schauen können aber durchaus einige "80er" aufweisen.

Die Richter bewerten folgende Kriterien:
(Diese Einteilung gibt es z.B. auf der Araberschau in Uelzen, andere Schauen unterteilen nur 6 Kriterien: Typ/Gesamteindruck, Kopf und Hals, Gebäude/Körperbau, Fundament, Schritt, Trab)

  • Rasse und Geschlechtstyp
    => wohl das Kriterium, das am schwersten zu beurteilen ist. Rasse: Der Araber sollte deutlich erkennbar sein. Die heutige - bedauerliche - Tendenz manchen "kleinen Trakehner" zu züchten, sei hier nur am Rande erwähnt...
    Der Geschlechtstyp wird beim Wallach nicht bewertet, die Stute soll mütterlichen Ausdruck haben und der Hengst auch eindeutig als solcher zu erkennen sein.

  • Kopf
    => nicht zu groß und nicht zu grob. Die Augen sollten groß und ausdrucksvoll sein. Die Ohren geschwungen und beweglich, viele wünschen den sogenannten Halbmond, der sich bildet, wenn man einen Bogen über den gespitzten Ohren des Arabers schlägt. Die Stirn ist breiter als bei den warmblütigen Kollegen, bei einigen arabischen Typen ist es sogar erwünscht extrem breite Stirnen zu züchten, so dass der sogenannte Dreieckskopf entsteht. Die Nüstern sollen weit und groß sein. Der Kopf ist quasi das Aushängeschild des Pferdes. Man sollte jedoch bedenken, dass der Kopf nicht überbewertet werden sollte. Extreme wie die versuchsweise organisierte "Most classic head" sollten vermieden werden. Dies war eine Schauklasse, in der nur der Kopf des Pferde bewertet wurde. Nur- auf dem Kopf kann man nicht reiten....

  • Hals
    => Lang, geschwungen und gut angesetzt. Beim Hengst gerne etwas kräftiger. Unterhals ist nicht erwünscht. Die Ganaschenfreiheit sollte gewährleistet sein, dies ist z.B. beim sogenannten "Speckhals" nicht der Fall. Kurze, kräftige, dicke Hälse machen das Pferd unbeweglich und es hat Schwierigkeiten beim Reiten am Zügel zu gehen. Allerdings ist ein zu dünner, langer Hals auch weder ästhetisch noch beim Reiten brauchbar, da zu instabil. Der Hals sollte zum Pferd passen und zum Reiten geeignet sein. 

  • Schulter
    => Nicht zu steil, da sonst die Schulterfreiheit des Pferdes beim Gehen beeinträchtigt ist. Die Schulter sollte schräg genug und gut bemuskelt sein.

  • Körper
    => Korrekt, genügend Rahmen und Tiefe. An diesem Kriterium scheiden sich die Geister. In jedem Fall sind weder Mastschweinschen, noch Hungerhaken erwünscht. Unerwünscht sind auch grobe Gebäudefehler wie z.B. Senkrücken, zu lang in der Rippe, zu kleine Hinterhand im Vergleich zur Vorderhand (vorderlastig), zu gerader Rücken, der nicht schwingen kann usw. Im Prinzip gelten die selben Kriterien, wie für die Warmblüter. Nachzulesen z.B. im Band IV der FN-Richtlinien "Pferdehaltung".
    Eine Besonderheit bei der Beurteilung von Arabern ist die Kruppenpartie. Sie darf im Gegensatz zu den Warmblütern auch recht gerade sein.

  • Vordergliedmaßen
    => Ohne Fehler (z.B. zeheneng, zehenweit, bodeneng, bodenweit). Hat das Pferd eine vor- oder rückbiegige Stellung? Ist die Fessel gut gewinkelt? Ist die Hufform gleichmäßig? Kein Bock- oder zu weiter Huf?

  • Hintergliedmaßen
    => Die Hinterhand ist die Kraftquelle des Pferdes, sie sollte daher gut bemuskelt und genügend gewinkelt sein. Der Unterschenkel sollte ausreichend lang sein, das Sprunggelenk von genügender Breite und Ausprägung. Eine zu steile Hinterhand verhindert, dass das Pferd korrekt untertreten kann. Selbstverständlich sollten beim Araber sowohl Vor- als auch Hinterhand frei von Gallen und Überbeinen sein und nicht schwammig wirken. Gerade der Araber ist berühmt für seine schönen klaren Gelenke.

  • Schritt
    => Klarer Viertakt mit gutem Untertreten. Das bei Arabern leider viel zu häufig zu sehende Zackeln ist nicht erwünscht. Leider wird dem Schritt immer noch zu wenig Bedeutung beigemessen. Man sieht häufig Vorführer, die ihre Pferde so unter Feuer gesetzt haben, dass die Pferde keinerlei klaren Schritt mehr gehen. Dies sollte m.E. noch mehr in die Note einfließen.
    Langer, fleißiger, nicht am Boden klebender Schritt ist erwünscht. Die Hinterhufe sollen midestens in die Spur der Vorderfüße treten. Übrigens - Pferde mit einem guten Schritt haben häufig auch einen guten Galopp.

  • Trab
    => Schwungvolle Gangart im Zweitakt, wobei die Hinterhand deutlich als Motor benutzt werden soll. Wichtig ist, dass die Hinterhand deutlich von hinten tritt. Leider sieht man oft genug Araber, die vorne zwar reichlich in der Luft "strampeln", aber mit den Hinterbeinen nicht nachkommen. Die Richter, die diese Pferde beurteilen, sollten sich einmal vorstellen, in deren Sattel zu sitzen. Bequem können dieser Schau-Treter wirklich nicht sein. Reelle, gute Gänge wirken manchmal nicht halb so spektakulär, sind aber fürs Reiten entscheidend.

  • Galopp
    => Dieser kann nur im Freilauf beurteilt werden (Leider kommen die Vorführer beim Laufen nicht mit...). Vorwärts"rollende" Bewegung im Dreitakt. Ein Vierschlag darf nicht erkennbar sein. Ebenso sollte das Pferd nicht ständig umspringen, nicht hoppeln wie eine Kaninchen und auch nicht mühsam und schwunglos daherkommen. Der Araber soll leichtfüßig und elegant laufen. Der Galopp soll eine wogende Gleichmäßigkeit haben, die dazu Lust macht einen Sattel auf den Rücken eben dieses Pferdes zu schnallen...

Am Ende haben die Richter dann noch die Möglichkeit zusätzliche Bemerkungen zum Pferd auf ihr Protokoll zu schreiben.  


Und die inneren Werte?

Vielleicht können einige Zitate namhafter Araberkenner etwas Licht in das feine Wesen des Arabers bringen, über das alle so loben...

Judith Forbis sagte "...etwas, mit dem man sich beschäftigen kann, etwas, das man lieben darf und etwas, auf das man vertrauen kann!"

Und der große Carl Raswan meinte "Der gewissenhafte Züchter besitzt auch das zuverlässigste Pferd, denn je reinblütiger ein Araber ist, um so liebenswürdiger, harmonischer offenbart er seinen Charakter."
Und nochmal Raswan: "Erbgut allein sind der unvergleichlich gute Charakter, die hohe Intelligenz und die Kerngesundheit, die dem Menschen die Möglichkeit geben, mit später geborenen Individuen (gemeint sind andere Arabische Pferde) wieder so eng verbunden zu leben, wie es ihren Vorfahren möglich war; denn dass der Mensch sein Pferd formt - physisch wie psychisch - weiß jeder, und dass es der Spiegel seines Erziehers ist, weiß mancher.

W.R.Brown sagte zum Thema: "Der Araber ist das Klügste de Pferde. Geistige Eigenschaften, wie Gedächtnis, Standhaftigkeit und Sanftheit, sind bei ihm hochentwickelt und machen ihn zu einem besonders nützlichen Diener des Menschen. Da er außerdem andere geistige Funktionen zumindest im Ansatz besitzt, ist er auch ein höchst interessanter Gefährte."

Oder lassen wir Carl Heinz Dömken zu Wort kommen, wenn er über seinen heißgeliebten Ghazal schreibt: "Es war das Zeremoniell eines jeden Morgen. Ghazal - ein Frühaufsteher, der mit Fanfarenstößen nahezu das ganze Dorf weckte - schaute aus dem Fenster seiner Boxe, äugte nach den Stuten, und wenn wir dann, aus dem Schlaf geholt, die kleine Stutenherde zur Weide brachten, tobte er, ließ die kohlschwarzen Augen wild funkeln, meldete die Herrschaft über seinen Harem an. Dann streckte er den schönen Hals aus dem Fenster, um uns mit einer Liebkosung der samtenen Nüstern zu begrüßen." Und: "Es war für jeden Reiter ein unbeschreibliches Gefühl, auf dem federnden Rücken des Hengstes zu sitzen. Wenn man so herzlich wenig Reiter ist, wie ich es bin, dann bereitet es Vergnügen, das Mittun unterm Sattel als freundliches Entgegenkommen des Pferdes zu verstehen. Liebkosen, ja, das genoss Ghazal!"

Na - wird einem nicht ganz anders, wenn man dem Lobgesang von Herrn Dömken lauscht? Dass der Araber etwas ganz Besonders in seinem Wesen hat, haben wohl die oberen Beiträge deutlich gemacht.
Schönheit, Adel, Intelligenz und Sanftmut - was will man mehr?
Hunderte von Jahren lebten die Beduinen eng mit ihren Pferden zusammen, sie waren ihr größter Besitz, ihr größter Stolz. Diese enge Verbundenheit prägte den Araber und hat ihm bis heute seinen wundervollen Charakter bewahrt. Das bedeutet allerdings nicht, das er nicht verdorben werden kann. Leider gibt es in unser heutigen schnellen und rationellen Zeit oft nicht genug Geduld für ein so sensibles Tier wie den Araber. Eingepfercht in 3 x 3 m, täglich nur eine Stunde bewegt, kann er seinem Laufbedürfnis nicht Rechnung tragen. Wird er daraufhin ungerecht behandelt, wehrt er sich. Ein Teufelskreis, der dem Araber sein "spinnertes" nicht-reitbares Image verliehen hat.
Doch wer sich Zeit für seinen Trinker der Lüfte nimmt, wird belohnt mit einem sanften und doch temperamentvollen Pferd, das sich so gut auf einen einstellen kann, dass es wirklich "der Spiegel der eigenen Seele" wird. 

 

Und hier noch ein Indiz für den einwandfreien Charakter der Arabs. Auf dem Bild rechts sehen sie die AV Stute R.T.Weega und dahinter ihren Vollbruder, den AV Hengst R.T.Nazzir in Marbach. Das Besondere: Beide Pferde zusammen an der Hand eines Vorführers. Robert Schlereth ließ es sich nicht nehmen, die beiden Champs zusammen vorzustellen. Und es ging!

Noch ein Nachtrag kommt von Stefanie Kinadeter. Sie schickte mir dieses schöne Gedicht, das sich auch mit den inneren Werten des Arabers befasst:

Der Ausdruck ihrer Augen ist der einer liebenden Frau,
Der Gang der eines schönen Weibes,
Die Brust die eines Löwen,
Ihre Flanken die einer Gazelle,
Sie sind die Trinker des Windes,
Ihre Nüstern sind geöffnet wie die Blütenblätter einer Rose,
Ihr Fell ist wie ein Spiegel,
Ihr Fell ist so dicht wie Federn auf Adlers Schwingen,
Ihre Hufe sind so hart wie Stein, von dem man Feuer zu schlagen vermag,
Sie sind sanft wie ein Lamm,

Jedoch wie ein Panther im Zorn werden sie geschlagen oder gereizt"


(Aus dem Koran)


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