Marwan, denn Araber sind zum Reiten da
(geschrieben 1988)
Jeder Reiter hat wohl seine Vorstellung von seinem Traumpferd, ich habe es
gefunden.
Letztes Jahr war ich auf der Suche nach einem eigenen Pferd, doch in Buxtehude
endete diese Suche abrupt. Ich stand einem schneeweißem Hengst mit langer
Mähne, großen Augen und gesprenkelter Nase gegenüber. Ein einziges Mal dieses
Pferd reiten ... doch selbst dieser Gedanke erschien mir vermessen.
Marwan, der nunmehr 17 Jahre alte Hengst der Familie Tiemann, hielt königlich
seinen Kopf empor - und übersah uns dezent.
Es ist unglaublich plötzlich dem Pferd gegenüberzustehen, von dem man glaubt,
es existiere nur in der eigenen Phantasie. Schweren Herzens riss ich mich von
ihm los, doch einen kleinen Teil von Marwan nahm ich mit nach Hause; seinen
zweijährigen Enkel Mutabor, der jetzt schon über ein Jahr mir gehört. Und
dass er schon jetzt einen Teil des Charmes und der Ausstrahlung seines
Großvaters hat, lässt mich noch vieles von meinem Lütten erwarten.
Doch
auch mit dem Enkel im Stall ließ mich Marwan nicht los und immer wenn meine
Freundin und ich Tiemanns auf ihrem Doroteenhof besuchten, stand ich wieder wie
gebannt vor seiner Box.
Zuhause sagte ich oft zu meiner Freundin: "Ihn nur ein Mal reiten..."
Schließlich hielt meine Freundin es nicht mehr aus, rief Dorotea Tiemann an und
fragte, ob ich Marwan mal reiten dürfte. Unglaublich aber wahr, sie sagte ja!
Skeptisch anfangs ließ sie mich auf den für einen Araber
sehr großen Schimmel.
Ja und dann hatte ich meinen Ritt! Und wer da behauptet Araberhengste in
deutschen Zuchten seien kaum reitbar, der kann von Marwan etwas anderes
lernen.
Zurückhaltend anfangs hielt er seinen Kopf empor, doch schon nach kurzer
Zeit, so als würde er merken, wie ich ihn bewunderte, kam er an den
Zügel und gab den Rücken her. Für mich ein unvergessliches
Reiterlebnis. 
Tja,
und dann habe ich ihn sogar zwei Mal auf der Hansepferd vorstellen
dürfen. Es war ein Gefühl, als könne einem auf diesem Pferd nichts
passieren. Kaum waren wir in der Halle, plusterte er sich auf wie ein Pfau
- denn ein Abgeber ist er schon... Aber Angst muss man auf ihm nicht
haben, Recker, Kutschen, Lärm, ja und?
Warum ich dies schreibe?
Um eine Lanze zu brechen für die angeblich unreitbaren Hengste.
Der Vollblutaraber Ahmal brachte mir das Reiten bei und einen geduldigeren
Lehrmeister hätte ich wohl nicht finden können und jahrelang saß ich im
Sattel von Rabdan (beide Hengste von Reinhold Bruns), und er gab mir das
Gefühl gebändigter Energie und unerschöpflicher Leistungsbereitschaft.
Auch der zweite Schimmelhengst von Tiemanns Mardschan ist eine
Lebensversicherung unter dem Sattel. Eigen sind sie, nicht
von jedem Grobian zu reiten, das auch, aber Mut, Temperament und unendlich
viel Feingefühl besitzen diese Tiere.
Für mich gibt es inzwischen keine schöneren Reitpferde. Und immer wenn
ich jetzt Tiemanns besuche, dann muss ich wenigstens mal ganz kurz auf
Marwans Rücken und sei es in Jeans und ohne Sattel, nur um zu wissen,
dass es mein Traumpferd wirklich gibt, dass es sanft am Zügel geht, seine
Hinterbeine unterschiebt und mich spüren lässt, was es heißt zu fliegen
ohne Flügel und zu siegen ohne Schwert.
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